Karotte
MIT DIESER TÄTIGKEIT KÜNDIGTE SICH DER HERBST AN
In Luises Sommer gab es viel Abwechslung und dennoch hatte alles seinen Rhythmus. Die Mittagsruhe fand nun draußen statt. Unter dem großen Apfelbaum wurden Matratzen aus Schaumstoff gelegt und Luise und Paul legten sich zum Schlafen hin. Und wir Kinder sollten das auch tun. Aber wie sollte das möglich sein, wenn Ameisen über die Matratze krabbelten und schließlich über Hände und Füße kitzelten, wenn die Schmetterlinge herumflatterten, die Bienen brummten, die Fliegen surrten, der Wind durch das Gras rauschte und die Blätter im Apfelbaum zum Rascheln bewegte. Die Lichtflecken huschten durch das Geäst des Baumes über uns hinweg– ein einziges unruhiges, aufregendes, bewegtes Leben. Ich kann mich nicht erinnern, jemals unter dem Apfelbaum eingeschlafen zu sein. Aber an die langen Minuten des Wartens und Beobachtens, bis endlich das Schnarchen der Großeltern aufhörte und endlich wieder Bewegung in sie kam.
Der Sommer war Reichtum. Aus dem Garten kamen der Salat, die Kräuter, die Erbsen, Kartoffeln, Möhren und der Lauch. Die Zucchini, die Gurken und der Sellerie.
Von den Büschen kamen die Himbeeren, die Brombeeren und die Stachelbeeren.
Wenn die riesigen dunkelroten Kirschen reif waren, hatten wir Kinder die Ehre, sie als erste zu pflücken und so viele zu essen, wie wir nur konnten. Und es war eine ganz besondere Ehre, die seltenen gelben Kirschen zu ernten.
Was nicht gegessen wurde, wurde in Gläsern eingekocht. Mit dieser Tätigkeit kündigte sich der Herbst an.