LUISE DAMM

Wer war Luise?

Die Großmutter von Gudrun Damm hieß Luise Damm. Sie wurde am 22. April 1920 in einem kleinen Dorf namens Wattweiler geboren, zwei Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs.

Zu Beginn des zweiten Weltkriegs heiratete sie den Soldaten und Nazi Paul Damm, der in der Gegend, in der Luise nahe der Grenze zu Frankreich lebte, stationiert war.

Sie hatten bald die ersten beiden Kinder, das älteste war Gudruns Vater.

,,Sie heirateten während des Krieges und im Krieg kam das erste Kind zur Welt, mein Vater Roland Damm (geb. 19.07.1940), danach Gertrud, die Schwester”.

Paul kämpfte an der russischen Front. Während des Krieges war Luise die meiste Zeit allein mit den Kindern. Es war eine sehr schwere Zeit voller Einsamkeit.

,,Da mein Großvater wieder in den Krieg ziehen musste, war meine Großmutter mit den Kindern meistens alleine.”

Am Ende des Krieges kehrten viele Männer ins Dorf zurück, die meisten noch unter dem Einfluss nationalsozialistischen Gedankenguts. Paul war keine Ausnahme und er hatte keine Bedenken zu behaupten, dass Juden schlechte Menschen und Russen schmutzig waren. Paul war kein guter Vater, kein guter Ehemann und kein guter Großvater, er schlug sowohl seine Kinder als auch seine Frau.

Luise flüchtete in ihren Garten. Der Garten war groß, ebenso wie Luises Herz, die den Garten als eine Oase des Friedens und der Freude bewahrte, in der die Kinder spielen und wachsen konnten.

Der Garten war auch eine Nahrungsquelle:

,,Das Haus war umgeben von einem großen Grundstück. Dort wuchsen Apfelbäume und meine Großeltern pflanzten noch viele andere Obstbäume. Für uns Kinder war der Garten ein Paradies zum Spielen.

Der Gemüsegarten war für meine Großmutter das Leben. Sie pflanzte vieles von dem an, was sie selbst verbrauchten.

Obst kochte sie in Gläsern ein oder machte Marmelade daraus. Auf dem Grundstück befand sich ein alter Bunker aus dem Weltkrieg. Dieser diente als Keller, wo alle eingelegten Vorräte aufbewahrt wurden.”(Gudrun 2020) Luises Leben war geprägt vom Rhythmus des Gartens und dem Klang der Kuckucksuhr, die den Lauf der Zeit und damit von Leben und Tod kennzeichnete. Es war Frühling, dann Sommer, Herbst

und Winter und wieder Frühling und der Kreislauf der Natur bestimmte, was im Garten zu tun war, ob der Boden im Herbst zu bewegen, die Bäume im Winter ruhen zu lassen, im Frühling Pflanzen zu setzen und im Sommer zu sehen war, wie sie wuchsen, um für den Winter zu ernten und einzulagern.

Alle vier Stunden machte sich Luise daran, ein Frühstück, dann ein Mittagessen, ein Nachmittagsvesper und Abendessen zu bereiten.

Die Großmutter Luise dichtete. Zu jedem Geburtstag schrieb sie Gedichte, die von dem Geburtstagskind handelten. Ihre Worte waren lustig und klangen fröhlich. In diesen Momenten, in denen Luise glänzte, ließ sie ihr Schweigen mühelos hinter sich, um die Dichterin, die in ihr lebte, aufblühen zu lassen.

Als Gudrun 12 wird, gibt Luise ihr einen Teil des Gartens, damit sie sich um ihn kümmert:

,,Mit 12 bekam ich auf dem Gelände einen eigenen kleinen Garten, den ich pflegte. Dort baute ich eigenes Gemüse an und war sehr stolz darauf.”

Paul stirbt zwei Jahre vor Luise, an diesem Tag sah sie wunderschön aus, alle dachten, dass sie jetzt endlich frei und glücklich sein würde. Kurz darauf erlitt sie jedoch einen Schlaganfall und ihr Zustand verschlechterte sich bis zu ihrem Tod. Der jüngere Bruder von Paul, der im Alter von 17 Jahren gezwungen wurde, im Krieg zu kämpfen, nahm alle Habseligkeiten von Gudruns Großeltern an sich, einschließlich Fotos und Luises Gedichten, und machte ein großes Feuer, um alles zu verbrennen. Es sind nur noch wenige Fotos von Luise übrig.

“Meine Großmutter hatte einen festen Lebensrhythmus, den sie auch nie in Frage stellte.

Den Garten pflegen, die Familie versorgen war für sie Lebensinhalt. Sie forderte nie etwas und bekam sehr wenig.

Außer vielleicht der Tatsache, dass alle gerne in ihrer Nähe waren.

Gefühle waren wurden nie ausgesprochen. Es gab Zeichen von Unmut oder Freude, aber sie sprach nie darüber, was ihr gefiel oder nicht.

Aber sie war stolz auf ihren Garten, das war zu spüren.

Wenn ich an meine Großmutter denke, denke ich an ihren Garten und an ihr Lachen.”

Wie soll man die Geschichte von Luise erzählen?

Luises Leben konzentrierte sich auf den Garten. Darin suchte sie Zuflucht, ließ das Leben wachsen und gedeihen und verband sich an diesem Ort mit dem Kreislauf von Leben und Tod.

Luises Garten ist eine Geschichte, die ich erzähle, indem ich Gudruns Erinnerungen an ihre Großmutter mit den Pflanzen, Bäumen und Blumen in ihrem Garten verbinde. Die Erzählung folgt den vier Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Die Jahreszeiten ermöglichen es uns, die zyklische Zeit, die kontemplative Zeit der Natur und das Poetische der Natur angesichts der Unsicherheit, in der wir gegenwärtig leben, wahrzunehmen. Die Zeit der Natur ist anders als die chronologische Zeit.

Ausgehend von der Verbindung der Erzählungen, Pflanzen und Jahreszeiten entwerfe ich vier Touren durch verschiedene Gärten und Parks der Stadt Konstanz, in denen sich die Pflanzen befinden, die in Luises Garten gewachsen sind. Jede Jahreszeit hat einen Weg, der mit besonderen zyklischen Aktionen und Emotionen verbunden ist: Aufheben für den Winter,

Vorbereiten des Bodens im Herbst, Säen im Frühling und Ernten im Sommer. Warten, mobilisieren, wünschen und genießen. Blühen, leben und sterben.